Milena Tsochkova
"Mich hat immer der Mensch fasziniert - der Mensch mit seinem inneren Antrieb und seiner Vorstellungsraft. Aus der menschlichen Existenz und ihren Befindlichkeiten schöpfe ich meine Motive und mit altbekannten Mitteln wie Farbe oder Bleistift versuche ich, die inneren Strukturen des Menschen zu übersetzen. Sowohl in meinen Zeichnungen als auch in den Ölbildern wird eine Körperlichkeit dargestellt, die Geistigkeit ausdrückt.
Ich bediene mich der menschlichen Figur, um mich mit Themen wie Affekt, Brutalität, Körper, Tod, Kindheit, Verlassenheit oder Sexualität auseinanderzusetzen. Oft werden solche Themen getarnt angesprochen, über Figuren und Motive transportiert, die ihren Hintersinn erst auf den zweiten oder dritten Blick enthüllen. Für die zeichnerische Serie „Mordshunger“ etwa verwende ich die auf den ersten Blick harmlosen Comicfiguren Tom und Jerry, die bei näherer Betrachtung als Symbolfiguren für politische und gesellschaftliche Ängste und Verhältnisse, persönliche, offene und verdeckte Formen von Gewalt stehen.
Typisch für meine Arbeiten ist der Körperausschnitt. Ich zeige in den meisten Bildern menschliche bzw. weibliche Fragmentierungen, die nie eine vollständige menschliche Figur enthüllen. Es geht mir nicht um bestimmte Personen, wie bei einer klassischen Porträtierung, sondern um mentale und psychische Zustände, persönliche Veränderbarkeit, menschliche Diversität, die in direkter Abhängigkeit von Wahrnehmung und sozialen oder persönlichen Prägungen zu deuten sind.
Ich lasse meine Figuren häufig isoliert, „enträumt“. Bei der Entscheidung für ein Motiv und das Ausblenden von Raum betone ich das Fragment mit seiner inneren Spannung. So fällt der Fokus des Betrachters nur auf eine Geste oder Form, häufig symbolisch aufgeladen, und ein Wechselspiel von Bedeutung und Deutung beginnt. Indem ich einen menschlichen Zustand aus dem Lauf der Zeit und dem Raum heraushole, bekommt er eine neue Intensität des Sehens.
Durch die teilweise realistische Darstellungsweise ermögliche ich den Betrachtenden, die Situation auf den ersten Blick zu erkennen. Die inszenierte, unwirkliche Zusammensetzung von Symbolen und Formauflösungen führt dabei zu Irritationen und ermöglicht neue Interpretationen."